Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit

Philipp Nothaft

Wandzeitung “Gesellschaft und Staat” 1/2006

1926 – Deutschlands Beitritt zum Völkerbund

INHALT

Einleitung
Versailles – die Hypothek der Weimarer Außenpolitik
Der Völkerbund
Reparationen und Sanktionen
Gustav Stresemann – Republikaner aus Vernunft
Verständigung und Revision – Stresemanns außenpolitische Konzeption
Erste Schritte aus der Sackgasse
Der Geist von Locarno
Reise nach Genf mit Hindernissen
Bilanz

Einleitung

„[Bei Stresemanns Erscheinen] setzte im ganzen Saal ein wahrer Beifallssturm nach der vorher herrschenden erwartungsvollen Stille ein ...Von allen Seiten wurde geklatscht und Bravo gerufen. Nur mit Mühe konnten sich die drei deutschen Delegierten durch die herandrängende Menge der ausländischen Völkerbundsvertreter den Weg zu ihren Plätzen bahnen. Alle wollten ihnen die Hände schütteln und ihnen persönlich zu diesem großen Ereignis Glück wünschen. Inzwischen tobte das Publikum auf den Tribünen, Tücherwinken, ‚bravo Stresemann’, Zurufe mit fremdländischen Akzentuierungen. Eine Szene, wie sie sich im Völkerbund noch nie abgespielt hatte...“

Mit diesen Worten schilderte der Dolmetscher des Auswärtigen Amtes den Einzug der deutschen Delegation in die Vollversammlung des Völkerbundes in Genf am 10. September 1926, ein Ereignis, das besonders symbolkräftig den Wandel dokumentiert, den die Stellung Deutschlands in der Welt während der Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts erfahren hatte. Die Aufnahme in den Völkerbund bedeutete gewissermaßen den Höhepunkt einer Entwicklung, durch die es dem Deutschen Reich in erstaunlich kurzer Zeit gelungen war, seine Rolle als geächteter Feindstaat und Bedroher des Friedens abzulegen und als gleichberechtigtes und anerkanntes Mitglied der Staatengemeinschaft gleichsam seine Rückkehr in die internationale Politik zu vollziehen. Umso bemerkenswerter ist dieses Ereignis des 10. September, wenn man sich vor Augen hält, dass es gerade drei Jahre her war, dass französische Divisionen ins Ruhrgebiet einmarschiert waren und sich die Republik von Weimar in einer alles gefährdenden Existenzkrise befunden hatte. Außerdem lag Deutschlands Niederlage im bis dahin größten Krieg der Geschichte, dem Ersten Weltkrieg, lediglich acht Jahre zurück. Doch inzwischen präsentierte sich der Welt ein „neues Deutschland“, durch das dauerhafter Friede und Stabilität in Europa plötzlich möglich geworden zu sein schienen. Umso tragischer wiegt daher der Umstand, dass derlei Hoffnungen bald durch die nachfolgenden Ereignisse, die 1939 in der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch das nationalsozialistische Deutschland kulminierten, über alle Maßen enttäuscht werden sollten. Dass dies indes im Jahre 1926 noch keineswegs absehbar oder völlig zwangsläufig war, ist nicht zuletzt untrennbar mit dem Namen eines der bedeutendsten deutschen Politiker und Staatmänner verbunden: Gustav Stresemann.

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© Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit   •   letzte Änderung am: 16.05.2006 23:07